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La Primavera

Ich finde leider nicht so oft die Ruhe, einen Eintrag für das Blog zu schreiben, wie ich ursprünglich geplant habe. Das Semester ging nicht so richtig ruhig los dank der Prüfung am 19. März. Richtig ausgiebig auf sie konzentriert habe ich mich nicht, an den Abenden viele andere Sachen gemacht. So sind es dann nur 22/30 Punkten geworden, was etwa einer deutschen Drei entspricht. Der Professor kommt aus Deutschland, so haben wir die Prüfung auf Deutsch gehalten (eine Ausrede weniger…).

In der Zwischenzeit ist in Mailand richtiger Frühling eingekehrt. Relativ warme Temperaturen und konstanter Sonnenschein haben die letzten Wochen dominiert. Seit Samstag ist damit aber fürs erste wieder Schluss und es regnet mailändisch-durchgängig.

Zwischendurch hatte ich zwei Tage lang Besuch von Hermann aus Deutschland. Eine Nacht war glücklicherweise mein Zimmernachbar nicht da, so dass wir sein Bett offiziell für fünf Euro Gebühr «leihen» konnten, die andere Nacht hatten wir Glück, dass einer der netten Portiere Dienst hatte und ich meinen Besuch illegal bei mir im Zimmer auf dem Boden schlafen lassen konnte. Ganz ohne hinterlegtes Ausweisdokument und auch noch nach 1 Uhr morgens. Das ist nicht selbstverständlich.

Mittlerweile finde ich mich ganz gut in der Stadt zurecht und bekomme dadurch auch öfter mit, wo gute Partys stattfinden. Leider kenne ich nicht all zu viele Leute, die auch Lust haben, was anderes mit dem Freitag- und Samstagabend anzustellen, als in die immergleichen Diskos «Alcatraz» und «Rolling Stone» zu gehen, in denen es Sonderkonditionen für Erasmus-Studenten und schlechte Musik gibt. Aber auch zu dritt kann man sich gut amüsieren.

Genauso nervig ist, dass «der» Erasmus-Treffpunkt in der Stadt ausgerechnet das «Old Fashion» am Mittwoch ist. Sonst ein Hort der Schickeria, bin ich da oft genug dafür, dass es mir da eigentlich gar nicht gefällt. Immerhin gibt es ein komplett kostenloses Buffet.

Nicht ganz trivial ist es immer noch, ohne Auto zwischen ein und sechs Uhr wieder nach Hause zu kommen. Es gibt die Busse 90 und 91, die die ganze Nacht über einen großen Kreis im und gegen den Uhrzeigersinn um die Innenstadt fahren. Das dauert aber auch seine Zeit und mehr als zwei- oder dreimal in der Stunde kommen diese Busse nicht und einen fühlbaren Teil muss man immer zu Fuß zurück legen.

Dieses Debakel haben auch andere Leute erkannt. Letztens habe ich einen Flyer von der demokratischen Partei, die lokal wie national zur Opposition gehört, mit einem Vorschlag für ein der Größe der Stadt angemessenes Nachtbusnetz in die Hand gedrückt bekommen.

Schade nur für mich, dass das nicht schon vor ein paar Jahren angegangen wurde. Für mehr abendliches Leben in der Stadt würde es bestimmt sorgen. Nach acht Uhr abends scheinen die Straßen leider in der Regel wie ausgestorben. Etwas los ist jetzt, wo es wärmer wird, immerhin am Wochenende «alle Colonne», an einer Reihe römischer Säulen an der Basilika San Lorenzo, und — aus irgendeinem Grund nur mittwochs — am «Mom», einem Straßencafé direkt an einem kleinen Stück Park, in dem Heerscharen von Studenten billiges mitgebrachtes Bier trinken.

Eine andere tolle Entdeckung der letzten Zeit in bequemer Fußreichweite ist das «Birrificio Lambrate». Eine Kleinstbrauerei mit angeschlossener Kneipe. Sie produzieren neun verschiedene Sorten Bier, von denen ich bislang drei mit Genuss probieren konnte. Das Ambiente ist rustikal, die Atmosphäre sehr freundlich. Die meisten Gäste kommen regelmäßig, werden von der Bedienung namentlich begrüßt. Es ist immer proppevoll. Der reguläre Preis von 4,80 Euro für die «birra media» klingt für deutsche Ohren erstmal happig, ist in Italien aber leider ganz normal. Entsprechend selten bin ich in hier in Mailand auch in Kneipen unterwegs. Wenn man früh Durst hat, kann man immerhin auch schon vor 20 Uhr kommen, zahlt etwas weniger und kann sich an einem feinen kleinen Aperitivo-Buffet kostenlos beiden.

Das Kulturangebot konnte sich wieder sehen lassen. Gerade gibt es im Palazzo Reale eine sehr große, wunderbar aufbereitete Ausstellung zum 100. Geburtstag des Futurismus, der immerhin von Mailand ausging und dominiert wurde. Sehr empfehlen kann ich auch jedem, der an der Mailänder Uni studiert, sich in die Mailinglisten für Kulturangebote einzutragen. So konnte ich vor ein paar Wochen z.B. kostenlos ein sehr schönes Streicherkonzert des Emerson-Quartetts hören. Durchaus lohnenswer ist auch das große Technikmuseum «Leonardo da Vinci».

Gleich nach meiner Ankunft habe ich bei der Erasmus-Studenten-Organisation ESN angegeben, dass ich mich über einen Sprachtandempartner für deutsch-italienische Gespräche, freuen würde. Daraus ist nie etwas geworden und auch bei drei verschiedenen — sonst lustigen — Veranstaltung zur Vermittlung eines Sprachpartners habe ich nie jemanden gefunden, der gerne Deutsch lernen würde. Jetzt vor kurzem müssen sie bei ESN wohl die alten Listen wieder hervorgekramt haben und ich bekam vor einer Woche eine enstsprechende Mail und eine sehr nette italienische Sprachpartnerin vermittelt. Es ist eine schöne Idee, kann wirklich Spaß machen und für beide lehrreich sein.

Ich fühle mich jetzt viel wohler in der Stadt als noch vor ein, zwei Monaten. Dass ich recht lange brauche, um mich ein zu leben, weiß ich gut, aber hier hat es deutlich länger gedauert als anderswo. Mailand ist zu groß, um übersichtlich zu sein, und ist auf die ersten Blicke eher abweisend. Bei mir kam noch der Start in dem ersten Wohnheim, mit dem ich nicht gut zurecht gekommen bin, und der ziemlich späte Wechsel in das neue, in dem ich mich auch lange fremd gefühlt habe, hinzu.

Vor einer Weile habe ich sogar mit dem Gedanken gespielt, vielleicht nach dem ersten Semester abzubrechen. Richtig angekommen und gut integriert habe ich mich nicht gefühlt und auf die Art, wie hier Physik gelehrt wird, lerne ich nicht so viel, wie ich könnte, obwohl es einige sehr interessante Vorlesungen gibt. Ich bin froh, mich nicht zum Abbruch entschieden zu haben, denn jetzt geht es mir wirklich gut. In einer kleineren oder «lebensfreundlicheren» Stadt wäre es wahrscheinlich schneller gegangen.